Das Petersburger Bajan- und Akkordeonensemble

Das Eichendorff-Gymnasium Koblenz ist Gastgeber eines vom Rotary Club Koblenz organisierten, außergewöhnlichen Konzerts, am Montag, 16.09.2013, 19 Uhr in der Aula der Schule. Der Eintritt zum Konzert ist für Schüler des Eichendorff-Gymnasiums frei; ansonsten werden die Zuhörer um eine Spende von 15€ gebeten.

Im Zentrum des Konzerts steht das Bajan.

Die Künstler der Bajan- und Akkordeontruppe sind ein gemischtes Ensemble (3 Akkordeons, 4 Bajans und Geige). Alle Mitglieder studieren bei Professor Alexander Dmitriev, der sowohl an der Spezialmusikschule für besonders begabte Kinder des Petersburger Konservatoriums als auch am Konservatorium (Musikhochschule) selbst unterrichtet. Der jüngste Ensemblemitglied Stepan Armasar ist 12 geworden und machte im Februar Furore mit seinem Auftritt beim Festival in Liechtenstein. Nach dem Konzert wurde er gleich von der künstlerischen Leiterin zum Festival Kissinger Sommer dieses Jahres eingeladen und zu einer Konzertreise in die Schweiz. Der älteste Mitglied Dmitrij Kiseljov hat im letzten Jahr den World Cup gewonnen und gehört heute zu den besten St. Petersburger Akkordeonisten. Wladimir Stupnikov hat im Mai mit unserer Unterstützung den 3. Preis beim Internationalen Wettbewerb in Klingenthal gewonnen. Jeder Musiker wird sowohl sein individuelles Können (technisch und musikalisch) auf der Bühne zeigen, als auch die Meisterschaft des Ensembles in verschiedenen Besetzungen (vom Duo bis zum Sextett). 

Das Bajan ist die osteuropäische Form des Chromatischen Knopfakkordeons. Das Instrument wurde nach dem legendären russischen Dichtersänger bzw. Märchenerzähler Bojan benannt.  Für das griechische Altertum würde man eine solche Person einen Rhapsoden nennen. Bekannt ist Bojan durch das Puschkin’s Poem „Ruslan und Ljudmila“ und die gleichnamige Oper von Michal Glinka. Wie Akkordeon hatte Bajan  mehrere Vorläufer – Schrammelharmonika, die Chromatina (entwickelt, übrigens, in Bayern von G. Mirwald), Authophon (eine amerikanische Art der Pianola), das Bandoneon, eine große viereckige Art von Concertina entwickelt in den 1840ern von Heinrich Band).

Richtige Erfinder des Bajanes in der heutigen Form sind der berühmte russische Instrumentenbauer Nikolai Beloborodov (der 1870 in Tula eine dreireihige chromatische Harmonika entwickelt) und ein Genie Pjotr Sterligov (der 1907 in Sankt Petersburg dem Musiker und Pädagogen Jakow F. Orlanski-Titarenko eine vierreihige, speziell für ihn gebaute Knopf-Harmonika, die er Bajan nannte, übergab). Schon 1883 war P. Tschaikowski in Tula so vom Klang des Bajanes begeistert, dass er als erster professioneller Komponist in seiner "Suite charactéristique" vier Bajans als Klangfarbe setzte. Dieses Instrument hat seither unter diesem Namen nicht nur in Russland, sondern auch in vielen anderen Ländern eine weitreichende Verbreitung gefunden. So bezeichnet man in Deutschland immer häufiger das Akkordeon mit Knopftastatur im Diskant als Bajan, während dem Instrument mit Klaviertastatur der Name Akkordeon zugeordnet wird. In Deutschland wird das Akkordeon weitgehend nur als Volksinstrument betrachtet und oftmals etwas abschätzig als Schifferklavier bezeichnet. Demgegenüber ist das Bajan in Russland ein seit Jahrzehnten an den Musikschulen (Musikhochschulen) gelehrtes und auch im klassischen Konzertbereich voll akzeptiertes Instrument. Sowohl die Originalität als auch die außerordentlichen klanglichen und dynamischen Möglichkeiten des Bajan vermitteln ein völlig neues musikalisches Hörerlebnis.      

Im Jahre 1927 komponierte Hugo Hermann in Trossingen seine sieben neuen Spielmusiken,  um für das Volksmusikinstrument Akkordeon (Bajan) auch ein Werk in klassischer Musikform zur Verfügung zu stellen. Heute gibt es sehr viel klassische Musik, die speziell auf das Bajan zugeschnitten ist. In der Sowjetunion gab und gibt es in neuerer Zeit sehr viele Komponisten, die das Bajan auch im Orchester einsetzen. Der wohl bedeutendste Bajankomponist in der Sowjetunion war Vladislav Zolotarev, der die, für seine aber auch für die heutige Zeit, musikalisch hochwertigsten Bajanstücke komponiert hat. Auch die russische Komponistin Sofia Gubaidulina schrieb mehrere Werke für das Bajan. Heutzutage komponieren für Bajan und Akkordeon anerkannte Autoren in GUS-Ländern und Europa (Václav Trojan, Rienzi Ruggiero, Bogdan Precz, Petri Makkonen etc). Bajanisten treten als Solisten mit großen Orchestern auf (dafür gibt es mehrere Originalwerke), bilden ein Orchester nur von Bajan und Akkordeon besetzt, arbeiten auch in unterschiedlichen Ensemblebesetzungen (vom Duo bis Dezimet). Dass das Bajan und das Akkordeon viel mehr zu bieten haben als vermutet, beweisen mehrere Internationale Wettbewerbe und Festivals für diese Instrumente sowohl in Russland als auch weltweit. Die berühmtesten davon sind der – Cup Mondiale (www.coupemondiale. org  – wird jedes Jahr in verschiedenen Ländern durchgeführt), Festival-Wettbewerb in Castelfidardo, Internationaler Wettbewerb in Klingenthal.   

Im Konzert mit dem Bajan-Ensemble kommen diverse Stilrichtungen – aus der Klassik/ Romantik, moderner Musik, Jazz, Rock- und Popmusik – zu Gehör. Da das Bajan der Orgel verwandt ist, hören sich Bach-Werke in der Bearbeitung für Bajan sehr ähnlich an. Auch Kompositionen für Violine, wie die Tarantella von Sarasate, oder Mendelssohn, wirken virtuos mit Bajan und Akkordeon gespielt, umwerfend auf das Publikum. Im Programm stehen daneben auch zeitgenössische Werke, in denen das Bajan eine reiche Palette von Gefühlen zeigt – vom Weltraumflug bis zum Versenken in die Tiefe des Unterbewusstseins. In einem Konzert mit dem Bajan kann aber nicht gänzlich auf die Folklore verzichtet werden. Deswegen stehen im Programm sowohl wunderbare lyrische Liedkompositionen als auch freche Stucke im scharfen Kontrast. Alle Musiker sind auch gute Schauspieler, begeben sich voll der Musik hin, die gespielt wird und drücken beim Spielen ihre eigene Lebensphilosophie aus.